Ein schwarzer Sonntag für die SPD

Beginnen wir mit dem Positiven. Petra Merkel hat es geschafft. Mit knapp 2% Vorsprung schickte sie am gestrigen Wahlsonntag Ingo Schmitt von der CDU in Rente und wird Charlottenburg-Wilmersdorf wieder als eine von zwei direkt gewählten Abgeordneten im Deutschen Bundestag vertreten. Dazu gratuliert die SPD Neu-Westend an dieser Stelle herzlich.

Auch das ein Verdienst des engagierten Wahlkampfes der SPD Neu-Westend mit vielen neuen und phantasievollen Aktionen. Und auch wenn wir genauso wie überall stark an Stimmen verloren haben, liegen wir doch ein knappes Prozent über dem Bezirks- und sogar 2% über dem Berlinergebnis. Bei den Erststimmen liegen wir ebenfalls leicht über dem Bezirksschnitt von 31,9%. Auch wenn in allen Wahlbezirken die CDU vor unserer SPD-Kandidatin liegt, haben wir wichtige Stimmen für Petra Merkel gewonnen.

Und: In Neu-Westend hat sich die SPD anders als im Land und im Bezirk als zweitstärkste Partei behaupten können. Aber am Ende haben auch in Neu-Westend nur 22,2% der Bürgerinnen und Bürger die SPD gewählt. Bei der Abgeordnetenhauswahl 2006 waren es in unserem Wahlkreis (etwas größer als das Abteilungsgebiet) noch 31,3% der Zweitstimmen.

Insgesamt hat die SPD im Bund 11,2% verloren. Mit 23% ist das das schlechteste Nachkriegs-Ergebnis der SPD. 2,1 Mio. frühere Wählerinnen und Wähler sind in das Nichtwählerlager abgewandert, 1,1 Mio. zur Partei die Linke und jeweils 870.000 zu den Grünen und zur CDU. Selbst wenn man die 500.000 Wählerinnen und Wähler dazu rechnet, die diesmal zur FDP abgewandert sind, haben uns knapp 1,4 Mio. potenzielle Mitte-Wähler den Rücken gekehrt, im Gegensatz dazu aber haben wir über 4 Mio. Wählerinnen und Wähler verloren, die wir eher links von der Mitte vermuten müssen.

Da gibt es nichts zu beschönigen. Die SPD-Wahlziele sind nicht erreicht: Die SPD hat Schwarz-Gelb nicht verhindern können und hat damit keinerlei Machtoption. Frank-Walter Steinmeier ist mit der SPD soweit vom Kanzleramt entfernt wie kein SPD-Kanzlerkandidat je zuvor. Über 70 Bundestagsabgeordnete werden nicht wieder in den Deutschen Bundestag einziehen. Themen und Personen haben nicht überzeugen können.

Und was passiert noch am Wahlabend kurz nach dem Desaster für die SPD: Frank-Walter Steinmeier ruft sich selbst zum Oppositionsführer aus und wird der stark dezimierten SPD-Fraktion vorsitzen. Angeblich sogar mit dem inhaltlichen Ultimatum verbunden, er stünde nur zur Verfügung, wenn Reformen, die er eingeleitet hat (sprich Agenda 2010) nicht zurückgedreht würden

Zusammengefasst: Frank-Walter Steinmeier konnte die Wählerinnen und Wähler nicht überzeugen. Die von ihm und Franz Müntefering vertretenden Inhalte (Agendaprozess, Rente mit 67, um nur zwei Chiffre für die inhaltliche Abkehr der Wählerinnen und Wähler von der SPD zu nennen) konnten ebenfalls nicht überzeugen. Und was soll bleiben: Die Personen und die Inhalte. Das darf man zumindest als originelle Krisenbewältigung bezeichnen.

Immerhin, der erst geäußerte Verdacht, Frank-Walter Steinmeier würde auch den Parteivorsitz übernehmen, bestätigt sich nicht. Wahrscheinlich auch, da der Druck, z. B. aus der Berliner SPD wächst.

Wie bei diesem überstürzten Handeln die dringend notwendige Erneuerung stattfinden soll, bleibt fraglich. Denn die SPD müsste endlich den Niedergang aufarbeiten, der seit der Agendapolitik eingesetzt hat. Und sie müsste einen Weg finden über die Oppositionspolitik mit der Linkspartei und den Grünen perspektivisch eine Machtoption für 2013 aufzubauen. Zudem muss sie inhaltlich wieder sozialdemokratisch identifizierbar werden, um aus dem 23% Tal herauszukommen. Schwer zu glauben, dass Frank-Walter Steinmeier der richtige Mann dafür ist.

Die SPD Berlin ist da schon weiter. Mit der seit heute vorliegenden Resolution wird eine erste schonungslose Analyse des desaströsen Wahlergebnisses vom 27. September geliefert. Die daraus resultierenden Forderungen sind folgerichtig: Personelle Erneuerung, inhaltliche Profilierung und eine strategische Ausrichtung, die wieder Machtoptionen eröffnet und der Entfremdung zwischen Parteiführung und Mitgliedschaft aktiv entgegenzuwirken.

Die Bundesparteiführung hätte gut daran getan, jetzt in Ruhe alle Optionen abzuwägen und zwar nach Vorliegen einer schonungslosen Analyse des Ergebnisses und seiner Ursachen. Sie hätte in die Partei hineinhorchen sollen, mit den Genossinnen und Genossen reden, die in den letzten Wochen auf den Straßen landauf landab unter nicht immer einfachen Bedingungen alles Erdenkliche getan haben, um Schwarz-Gelb zu verhindern.

Da sie das mit dem 23%-Ergebnis im Rücken nicht konnte, ist es natürlich einfacher, einmal mehr vollendete Tatsachen zu schaffen und Personal und damit auch Inhalte von oben herab zu dekretieren.

Wo das hinführen soll, weiß niemand. Eins wurde bisher nicht bewiesen: Nämlich, dass die SPD Wahlen in der Mitte gewinnen kann. Die Idee einer linken Volkspartei steht gegen das Schrödersche Konzept der Neuen Mitte. Vielleicht probieren wir es jetzt mal mit dem Konzept der linken Volkspartei. Mit neuen Köpfen und neuen Inhalten. Aber diese Chance scheint zumindest vorerst vertan.