SPD Neu-Westend diskutiert Konzept für einen neuen Sozialstaat

Die Arbeitswelt verändert sich in hohem Tempo. Die Digitalisierung ist aus keinem Lebensbereich mehr wegzudenken und verändert die Welt, in der wir leben, in einem dramatischen Tempo. Der technologische Wandel der Arbeitswelt beschleunigt sich massiv – getrieben vor allem durch datenbasierte Geschäftsmodelle und die Künstliche Intelligenz. Arbeit verändert sich mit neuen Berufsbildern, Arbeitszeitmodellen und Qualifikationsanforderungen. Das eröffnet für Viele große Chancen und auch neue Arbeit. Es führt aber auch dazu, dass Menschen Sorge haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder nur noch schlecht bezahlte und unsichere Arbeit zu finden. Gleichzeitig erleben wir einen gesellschaftlichen Wertewandel. Die Erwartung an Arbeit, Arbeitszeiten und Weiterbildungsphasen und ihre Vereinbarkeit mit den jeweiligen Lebensentwürfen und aktuellen Lebenslagen verändern sich. Es ist Zeit für eine grundlegende Erneuerung der Absicherung von Arbeit.

Deutschland ist und bleibt eine Arbeitsgesellschaft. Durch den technologischen Wandel wird uns die Arbeit nicht ausgehen, sie wird sich nur stark und immer schneller verändern. Unsere Antwort darauf ist das „Recht auf Arbeit“. Das bedeutet, dass sich die Solidargemeinschaft dazu verpflichtet, sich um jeden Einzelnen zu kümmern und jedem Arbeit und Teilhabe zu ermöglichen – statt sich durch ein bedingungsloses Grundeinkommen von dieser Verantwortung freizukaufen. Wir teilen das Anliegen, Einkommenssicherheit im Lebensverlauf und mehr Zeitsouveränität zu schaffen. Doch wir halten das bedingungslose Grundeinkommen für falsch, denn es wird den Bedürfnissen der meisten nicht gerecht. Aus dem „Recht auf Arbeit“ hingegen leitet sich für den Einzelnen eine Vielzahl von konkreten Ansprüchen ab, die zu seiner jeweiligen Lebenssituation passen. Das „Recht auf Arbeit“ konsequent durchzubuchstabieren heißt für uns auch, einige Gewissheiten der vergangenen 20 Jahre auf den Prüfstand zu stellen und den Sozialstaat neu zu denken. Das sind unsere Leitlinien dafür:

  • Die Grundpfeiler unseres Sozialstaatsversprechens sind Arbeit, Solidarität, und Menschlichkeit.
  • Das heißt zunächst: Den Sozialstaat auf der einen Seiten und die Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite verbinden gegenseitige Rechte und Pflichten.
  • Das heißt weiter: Die Leistungen des Sozialstaats sind soziale Rechte, die Bürgerinnen und Bürger zustehen. Sie sind Inhaberinnen und Inhaber dieser Rechte, keine Bittsteller.
  • Das heißt außerdem: Der Sozialstaat hat gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern eine Bringschuld, nicht andersrum die Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Sozialstaat eine Holschuld.
  • Und das heißt schließlich: Der Sozialstaat muss den Einzelnen und sein Schicksal respektieren. Er muss Instrumente schaffen, die den individuellen Anforderungen und unterschiedlichen Problemstellungen der Menschen gerecht werden.

Konkret bedeutet das für den neuen Sozialstaat in unserer neuen, veränderten Welt:

  • Wir müssen das System und den Apparat auf die flexiblen, sich ständig verändernden Bedingungen der Arbeitswelt ausrichten.
  • Der Sozialstaat soll das Leben der Menschen leichter und sicherer machen. Darum muss er möglichst unbürokratisch, transparent, verlässlich und ohne Hürden zugänglich sein.
  • Wir wollen den Sozialstaat aus der Perspektive derjenigen gestalten, die ihn brauchen – und nicht aus der Perspektive derjenigen, die ihn missbrauchen. Arbeitslosigkeit ist selten ein selbstgewähltes Schicksal.
  • Der Sozialstaat muss die Würde des Einzelnen achten. Unterstützung zu brauchen, darf niemals als Stigma empfunden werden.
  • Lebensleistungen müssen stärker anerkannt werden. Der Sozialstaat muss Abstiegsängsten entgegenwirken und neue Aufstiege ermöglichen.
  • Der neue Sozialstaat muss geschlechtergerecht sein und partnerschaftliche Lebensentwürfe bestmöglich unterstützen.
  • Der neue Sozialstaat ist ein inklusiver Sozialstaat.
  • Er schafft es, alle angemessen an seiner Finanzierung zu beteiligen – auch im Zeitalter der digitalen Konzerne.

Für einen solchen Sozialstaat zu kämpfen und eine neue solidarische Gesellschaft zu ermöglichen, verstehen wir als unseren Auftrag und Anspruch. In der Regierung sind wir bereits dabei, wichtige Schritte dorthin zu unternehmen – aber wir sind noch nicht am Ziel.