Dietrich Masteit feiert seinen 90. Geburtstag

Teamarbeiter und Einzelkämpfer – Streiter für den Nichtraucherschutz

Am Sonnabend, 19. Januar 2013, feiert Dietrich Masteit, ehemaliger Charlottenburger SPD-Abgeordneter, engagierter Verfechter des Nichtraucherschutzes und langjähriges Mitglied unserer SPD Neu-Westend in Berlin seinen 90. Geburtstag. Die SPD Neu-Westend gratuliert Dietrich Masteit herzlich zu seinem Geburtstag und freut sich auf viele weitere gemeinsame Stunden mit anregenden Diskussionen. Für die BERLINER STIMME wirft Dietrich einen Blick zurück, den wir hier gerne ebenfalls veröffentlichen.

Dietrich Masteit berichtet dabei sehr persönlich über seinen Weg in die SPD, in der er seit über 60 Jahren Mitglied ist und sein Wirken als Abgeordneter:

“Mein Weg in die SPD war etwas holprig. Ich wurde 1923 geboren und bin in einer christlich-konservativen Familie in einer kleinen pommerschen Stadt aufgewachsen. Mein Vater war „Stahlhelmer“, meine Mutter im „Königin-Luise-Bund“ und ich schon mit acht Jahren im „Scharnhorst“.

1934 wurde diese Jugendorganisation des „Stahlhelm“ von der Hitlerjugend übernommen, in der ich bis zum Fähnleinführer (6 bis 14jährige) aufstieg. Die HJ war ziemlich attraktiv für Kinder, weil sie in der Kleinstadt erstmals Sport, Fahrten, Zeltlager, Volkstanz u.a.m. anbot. Nach Kriegsausbruch meldete ich mich freiwillig zum Wehrdienst und wurde später Offizier. Ich kann versichern, dass ich in den vier Jahren an der Ostfront keine Verbrechen der Wehrmacht oder anderer Organisationen erlebt habe.

Was als Abenteuer begonnen hatte, endete in einer auch persönlichen Katastrophe. Die Niederlage 1945 bedeutete für mich den Verlust aller „Werte“: die Heimat verloren und die Eltern ihre Existenz. Ich hatte einer Organisation angehört, deren Führer Verbrecher und korrupt waren. Wenn es denn einen Gott gab, wie hatte er es zulassen können, dass dieses Regime sechs Millionen Juden und viele andere Unschuldige ermordete? Wie könnte es eine Generalität zulassen, dass hunderttausende Kriegsgefangene verhungerten oder zwangsarbeiten mussten?

Es fügte sich gut, dass ich ein Studium der politischen Wissenschaften aufnehmen konnte, das es mir ermöglichte, meinen Standort in Politik und Gesellschaft neu zu finden. So wurde ich 1952 Mitglied der SPD wegen ihres Eintretens für die Freiheit (Ermächtigungsgesetz und des Kampfes um Berlin) und ihrer bedeutenden Persönlichkeiten wie Kurt Schumacher und in Berlin Ernst Reuter, Willy Brandt, aber auch Franz Neumann. Mein Studienfreund Harry Ristock überzeugte mich, auch den „Falken“ beizutreten. In den folgenden dreißig Jahren habe ich viele ehrenamtliche Aufgaben übernommen, bei den „Falken“ im Berliner Landesvorstand, in der SPD u.a. den Vorsitz der größten Abteilung von Berlin mit 820 Mitgliedern. Sie stellte etwa ein Drittel der Charlottenburger Kreisdelegierten und war die Basis für die Wahl von Ristock zum Stadtrat für Volksbildung. Die Kontakte durch meine politische Tätigkeit im Jugendverband und in der Partei waren auch für meinen beruflichen Werdegang hilfreich. 1957 wurde ich persönlicher Referent der Jugendsenatorin Ella Kay, danach Dozent an der Internationalen Begegnungsstätte Jagdschloss Glienicke und dann Direktor der Volkshochschule Kreuzberg.

1971 wurde ich Mitglied des Abgeordnetenhauses. Es war offensichtlich schwierig, Kontakte zu den Bürgern und Bürgerinnen zu finden. In die Sprechstunden kamen mal drei, mal sechs Personen, einige mehr zu politischen Frühschoppen. Schließlich konnte ich die Funktionäre in den Abteilungen meines Wahlkreises überzeugen, vier- bis fünfmal im Jahr einen „Brief“ in einer Auflage von 16.000 Stück zu verteilen. Diese Kraftanstrengung war insbesondere möglich, weil es im Wahlkreis ganz überwiegend Neubauten mit Hausbriefkästen gab. Die Aktion musste für mich bezahlbar bleiben. So schrieb und klebte ich die Druckvorlage selbst, den Offsetdruck übernahm die Parteidruckerei. In den „Briefen“ berichtete ich über meine Arbeit, machte Angebote zu Stadtrundfahrten, Besichtigungen des alten Reichstags, Stadtteilfesten und anderes. Immerhin erreichte ich bei den beiden nachfolgenden Wahlen immer bessere Ergebnisse.

Die Arbeit im Abgeordnetenhaus ist ja wie in allen Parlamenten Teamarbeit. Nur selten kann ein Einzelner für sich in Anspruch nehmen, das eine oder andere Gesetz oder Verwaltungshandeln maßgebend beeinflusst zu haben. Ich selbst konnte dazu beitragen, dass das Berliner Bildungsurlaubsgesetz und die Ausstattung der Volkshochschulen wesentlich verbessert und auch anonyme Urnenbestattungen auf städtischen Friedhöfen möglich wurden. Durch „Kleine Anfragen“ habe ich den Senat und die Verkehrsbetriebe so lange genervt, bis die BVG 1974 das Rauchen auf den Oberdecken der Omnibusse und 1975 im gesamten U-Bahnbereich verbot. Auf die in DDR-Verwaltung stehende S-Bahn hatten wir ja keinen Einfluss.

In Partei- und Delegiertenversammlungen habe ich ebenfalls zum Missvergnügen der Raucher Rauchverbote beantragt und nach und nach auch erreicht. Aber in den Ausschüssen des Abgeordnetenhauses konnte ich das nicht durchsetzen, obwohl ich mit dem Parlamentspräsidenten vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin einen Vergleich geschlossen hatte, wonach im Ausschuss auf Antrag nicht geraucht werden durfte. Auch in der SPD-Fraktion war mir kein Erfolg beschieden. Auch heute noch werde ich in Parteiveranstaltungen dazu beglückwünscht, dass es auch Dank meines jahrzehntelangen Bemühens heute einen wirksamen Nichtraucherschutz gibt.

Eine solch intensive Wahrnehmung des Mandats neben dem Beruf war mir nur möglich, weil meine Frau mich in der Partei und bei den Aktivitäten unterstützt und sich um die Familie mit vier Kindern gekümmert hat.”

Dietrich Masteit